Die Energiewende wird nur funktionieren, wenn in Gebäuden zukünftig deutlich weniger Energie verbraucht wird - diese Erkenntnis hat sich, zumindest in Fachkreisen, inzwischen durchgesetzt. Sowohl im Neubau, vor allem aber im Bestand, gibt es große Potenziale für mehr Energieeffizienz, die es zu heben gilt, wenn die energie- und klimapolitischen Ziele erreicht werden sollen. Der beste Pfad dahin ist ein technologieoffenes Zusammenspiel verschiedener Effizienzoptionen, die bereits heute am Markt verfügbar sind: von Brennwertkesseln und Wärmepumpen über Solarthermie bis hin zu Wärmeschutzfenstern und hochwertiger Dämmung.
Damit die Wärmewende weiter Fahrt aufnimmt, müssen wir jetzt die richtigen Pfade einschlagen. Die aktuelle Legislaturperiode wird dafür entscheidend sein. Dies hat auch die Politik erkannt. Im aktuellen Koalitionsvertrag stehen zu diesem Thema einige sinnvolle Maßnahmen, die nun aber zügig umgesetzt werden sollten.
Ein Beispiel ist die geplante steuerliche Förderung für Sanierungsmaßnahmen. Bereits zweimal im Bundesrat gescheitert, braucht es nun ein deutliches Zeichen, dass auch in der breiten Bevölkerung ankommt. Wichtig ist die konkrete Umsetzung: Die Steuerförderung bietet eine zusätzliche Option zu bereits bestehenden Fördermaßnahmen. So lassen sich neue Zielgruppen erschließen, die Kredite oder Zuschüsse bislang nicht an Anspruch genommen haben. Gleichzeitig gilt es, die Steuerförderung finanziell gut auszustatten, um den dringend nötigen Push in die Sanierung zu bringen.
Ein anderes Beispiel ist das geplante Gebäudeenergiegesetz, das ebenfalls in der vergangenen Legislaturperiode nicht zu Ende gebracht wurde. Der Handlungsdruck ist auch hier groß. Einfache und effiziente ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen sind die Grundlage, um Bauherren, Planern und Umsetzern Orientierung zu geben.
Gebäudekommission soll zügig Arbeit aufnehmen und Wärmewende forcieren
Ein weiterer wichtiger Punkt im Koalitionsvertrag, über den bislang viel zu wenig gesprochen wurde, ist die geplante Kommission für den Bausektor. Sie soll einen Maßnahmenplan entwickeln, wie die bekannten Lücken zu den 2020-Zielen so schnell wie möglich verkleinert und die Sektorziele 2030 erreicht werden können. Ende 2018 soll der Abschlussbericht der Kommission vorliegen, bereits 2019 soll auf dieser Basis ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden. Um die Ziele im Gebäudebereich zu erreichen, wird sich die Kommission im Kern damit auseinandersetzen, mit welchen Maßnahmen die Energieeffizienz im Gebäudesektor schnell und nachhaltig gesteigert werden kann, vor allem im Bestand. Dabei wird sie über das hinausgehen müssen, was bisher vorhanden ist und geplant war.
Studien der dena zeigen, wie groß die Potenziale sind: Fachgerecht ausgeführt, kann eine energetische Sanierung den Energieverbrauch von sanierungsbedürftigen Wohngebäuden um mehr als 75 Prozent senken. Dabei sollte sie immer als Gesamtkonzept aus Dämmung, Fenstertausch und Gebäudetechnik gesehen werden. Das große Potenzial unterstreichen auch die folgenden Zahlen: Über 60 Prozent der Fassaden älterer Gebäude sind nicht gedämmt; circa 40 Prozent der Gas- und Ölheizungen sind mindestens 20 Jahre alte Heizwertkessel und damit weit weg vom aktuellen Stand der Technik; weniger als 10 Prozent des Gebäudebestands werden mit Holz, Solarthermie oder Wärmepumpen beheizt.
Mit einem breiten Technologiemix lassen sich die Ziele am effizientesten erreichen
Doch eine Herausforderung beim energieeffizienten Bauen und Sanieren bleibt: Jedes Gebäude ist individuell, es gibt keine One-fits-all-Lösungen. Umso wichtiger ist es, alle zur Verfügung stehenden Technologien zu nutzen. Dies zeigen auch die Ergebnisse der Gebäudestudie, die die dena zusammen mit der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) und weiteren Branchenverbänden sowie der Mitwirkung mehrerer wissenschaftlicher Institute Ende letzten Jahres veröffentlicht hat: Ambitionierter Klimaschutz im Gebäudesektor und die Erreichung der entsprechenden Ziele ist möglich und am günstigsten über einen technologieoffenen Pfad realisierbar. Dafür sollten alle verfügbaren Effizienztechnologien wirtschaftlich eingesetzt und die Infrastrukturen für Strom, Gas und Öl effizient und in Kombination mit erneuerbaren Energieträgern genutzt werden.
Eine stark forcierte Elektrifizierung der Wärmeversorgung würde dagegen zu höheren Kosten führen und deutlich höhere Sanierungsraten erfordern. Nach dem Elektrifizierungsszenario müssten bis 2050 jedes Jahr rund 2 Prozent des Gebäudebestands in Deutschland saniert werden, um einen sehr breiten Einsatz von elektrischen Wärmepumpen zu ermöglichen. Im technologieoffenen Szenario würden dagegen 1,4 Prozent reichen. Dies ist auch einer der Gründe, warum der technologieoffene Pfad in der Kostenbilanz deutlich günstiger ist als das Elektrifizierungsszenario. Im Vergleich zum Referenzszenario - einem "Weiter-wie bisher"-Pfad, der aber die Ziele verfehlt - erreicht der technologieoffene Pfad die Klimaschutzziele für Mehrkosten von insgesamt 12 bis 14 Prozent. Das Elektrifizierungsszenario kommt auf Mehrkosten von gut 20 Prozent.
Technologien nicht gegeneinander ausspielen
Mit einem breiten Technologiemix lassen sich die Ziele also am effizientesten erreichen. Daher ist es auch nicht sinnvoll, einzelne Techniken gegeneinander auszuspielen. Je nach Gebäude und zu Verfügung stehenden finanziellen Mitteln gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, vorhandene Effizienzpotenziale auszuschöpfen. Die Gebäudestudie von dena, geea und Branchenverbänden kommt zu dem Schluss: Neben energetischen Maßnahmen an der Gebäudehülle, der Fassade, den Fenstern, Dach und Keller sind vor allem auch der Einsatz effizienter Brennwerttechnik und erneuerbarer Energien entscheidende Eckpfeiler für die Erreichung der Energie- und Klimaschutzziele. Dies unterstreicht auch ein aktuelles Gutachten vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden von März 2018, in welchem unter anderem dargelegt wird, dass effiziente Anlagentechnik und der Einsatz erneuerbarer Energien in der Marktrealität auch in Kombination realisiert werden. Es ist also klar: Nur wenn wir alle Möglichkeiten gut nutzen, diese sinnvoll miteinander verbinden und keine Optionen ausschließen, kommen wir schließlich zum Ziel.
Viele Vorschläge, wie die Wärmewende endlich in Schwung gebracht werden kann, liegen bereits vor: sei es mehr Förderung, bessere Beratung oder eine breitere Kommunikation, damit die Energiewende im Gebäudesektor auch in der Breite der Bevölkerung ankommt. Aber es wird mehr brauchen, um die gesetzten Ziele zu erreichen, zum Beispiel eine sinnvoll ausgestaltete CO2-Steuerung. Die Diskussion über diese und weitere notwendige Maßnahmen für die Zielerreichung im Gebäudesektor sollte im Mittelpunkt der von der Bundesregierung geplanten Gebäudekommission stehen. Umso wichtiger, dass sie bald eingesetzt wird und ihre Arbeit aufnehmen kann, denn es ist dringend Zeit für mehr Wärmewende.
Zuerst erschienen im Tagesspiegel Background Energie & Klima am 12. April 2018.